Grenzenloses Abenteuer - das Video als DiVX (21MB)
"Das Beste war das Segelfliegen!“ - Eine Teilnehmerin berichtet
von Delia Kalff

Als ich nach Merzbrück kam, war ich ein bisschen aufgeregt. Fünf Tage allein ohne Eltern! Das war neu und ungewohnt für mich, aber ich hatte zwei gute Freundinnen aus dem Behinderten- Schwimmclub in Aachen, die mir halfen.

Wir schliefen alle in großen Gemeinschafts-Zelten: Zwei Zelte für die Jungen, ein Zelt für die Mädchen, fünf kleine Zelte für die Betreuer. Um acht Uhr dreißig mussten wir alle fertig sein fürs Frühstück. Jeden Tag gab es ein leckeres Buffet mit Brötchen, Marmelade, Nutella, Aufschnitt, Käse, Müsli, Jogurt, Säfte und Kakao. Wir aßen im Essenszelt, draußen auf Bänken oder im Clubhaus.

Um zehn Uhr fingen wir mit den Aktivitäten an: Wir waren beim Radiosender Antenne AC, der auf dem Flugplatzgelände sein Studio hat, und haben dort Maik Leon Grosch getroffen, Teilnehmer der 3. Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“, der jetzt dort arbeitet. Er hat uns alles gezeigt und hat mit uns ein Interview geführt, das im Radio zu hören war.

Außerdem gab es noch Trampolinspringen, eine Nachtwanderung und Rhönradfahren. Ein Rhönrad ist ein Rad aus Metall, in dem man mit den Füßen festgeschnallt wird und Kunststücke damit machen kann. Allerdings habe ich es nicht ausprobiert, es ist nicht für alle Behinderten geeignet.

Dafür war das Springen auf dem Trampolin ein tolles Gefühl! Dieses Trampolin war eins für Wettkämpfe, und deshalb viel größer als ein normales Trampolin und mit viel mehr Sprungkraft. Man fühlte sich wie ein Vogel, der in der Luft schwebt.

Wir haben auch eine Nachtwanderung gemacht. Ich bin mit dem Rollstuhl und der Gehhilfe gegangen. Es war sehr kalt und dunkel. Man sollte unbedingt eine Fleecejacke und eine Taschenlampe mitnehmen. Nach der Wanderung waren alle todmüde und froh, dass sie wieder im Camp waren.

Aber das Beste am ganzen Camp war das Segelfliegen!!! Vor dem Flug war ich ein bisschen aufgeregt, aber das braucht man nicht. Bevor man in das Flugzeug einsteigt, bekommt man einen fünf Kilo schweren Fallschirm auf den Rücken geschnallt und der Pilot erklärt dann alles. Wenn alles startklar ist, wird das Segelflugzeug von einem Motorflugzeug in die Luft gezogen, und klinkt sich in sechshundert Meter Höhe aus. Das Segelflugzeug fliegt dann alleine weiter mit Hilfe des Windes. Oben in der Luft hat man eine tolle Aussicht auf die Umgebung. Häuser, Autos, Bäume und Straßen sehen dann aus wie Spielzeuge.

Als ich zuhause war, bin ich sofort für ein paar Stunden auf dem Sofa eingeschlafen. Es war sehr anstrengend, aber so schön! Jeder sollte es mal ausprobieren und zum Flugcamp Merzbrück kommen. Ich hatte sehr viel Spaß und nächstes Jahr komme ich gerne wieder.

Gemeinschaftserlebnis Jugendcamp
Schade, dass so etwas bei Erwachsenen nicht so funktioniert!” – Hasan Arman ist immer noch fasziniert von dem Umgang der Teilnehmer beim Jugendcamp. Vier mal schon hat der 30-jährige Dozent beobachten können, wie sich innerhalb kürzester Zeit aus einem bunt zusammen gewürfelten Haufen Jugendlicher eine Gruppe formiert, die sich gegenseitig hilft und aufeinander aufpasst auf dem Gelände in Merzbrück: “So ein Flugplatz ist etwas völlig anderes als das, was die meisten Jugendlichen gewohnt sind. In anderen Jugendcamps ist es kaum möglich, so ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen wie hier. Und der abschließende Flug mit dem Segelflieger ist der Kitt, der die Gruppe zusammen hält.”
Hasan Arman hat selbst nichts zu tun mit der Fliegerei, aber von Beginn an war er begeistert vom integrativen Jugendcamp:

Als er vor einigen Jahren zum ersten Mal davon hörte, fuhr er nach Merzbrück, um es sich anzuschauen: “Ich wollte nur ein paar Stunden bleiben – es wurden drei Tage. Ich wollte gar nicht mehr nach Hause!” Er ist überzeugt, dass das Erlebnis Flugplatz den Teilnehmern eine Menge gibt: “Am ersten Tag sind da natürlich Berührungsängste. Man muss als Betreuer die Leute ein bisschen schubsen. Aber dann läuft die Sache von ganz allein und man kann zusehen, wie aus vielen kleinen Grüppchen eine große Gruppe zusammenwächst.”

"Wie eine Möwe, die zur Erde gleitet" - der Beginn einer Freundschaft
Das Ein- und Aussteigen bereitete ein wenig Probleme: Steffen Philippe holperte über die Wiese zum Flugzeug, parkte seinen Rollstuhl neben dem Cockpit, und mit ein wenig Hilfe wuchtete er sich auf den hinteren Sitz des Schulungsseglers. Was er aber dann erlebte, entschädigte ihn für die Mühen: “Es ist eine ganz neue Erfahrung – bis dahin war ich nur in Passagierflugzeugen geflogen. Im Segelflugzeug bekommt man viel direkter mit, was passiert. Man spürt, wie einen die Thermik nach oben trägt.”

Auch Felix Rößler strahlt heute noch, wenn er von seinem

Segelflug erzählt, damals, an diesem Sommertag im stahlblauem Himmel und klarer Sicht: “Das war gigantisch! Man fühlt sich wie eine Möwe, die langsam zur Erde gleitet. Als ich das nachher meinen Freunden erzählt habe, ist denen die Kinnlade runter gefallen.” Für ihn war der Flug der Höhepunkt des Jugendcamps.

Vorher hatten alle Teilnehmer eine theoretische Einführung bekommen, auch eine Gefahreneinweisung, denn ein Flugplatz ist kein Spielplatz und es gibt Regeln, an die sich jeder halten muss. Doch für den Querschnittsgelähmten Steffen Philippe gehört das mit dazu: “Anfangs konnte ich mir nicht viel darunter vorstellen: Ein Jugendcamp auf einem Flugplatz. Dann aber war ich völlig begeistert. Die Stimmung war toll, es gab keinerlei Berührungsängste unter den Jugendlichen.”

Damals haben sich Steffen und Felix kennen gelernt. Eine Freundschaft hat sich daraus entwickelt, die bis heute hält. Beide würden gern wieder am Jugendcamp teilnehmen, aber klar: Andere wollen auch mal. Und die beiden mittlerweile 23-jährigen gönnen natürlich den Jüngeren das Erlebnis Jugendcamp.

"Ein bisschen Stress - und ganz viel Spaß!"
Rekan ist Wiederholungstäter. Er bereut nichts. Und er wird es wieder tun. Beim ersten Mal war Rekan Rasho Hassan gerade mal 15 Jahre alt: 2006 kam er in das Integrative Jugendcamp nach Merzbrück, um mit anderen Jungen und Mädchen vier Tage auf dem Flugplatz zu verbringen, zu leben, zu spielen, im Schlafsack zu übernachten – und um im Segelflugzeug mitzufliegen: “Beim ersten Start hatte ich schon Angst,” gibt er unumwunden zu, “anfangs. Aber dann war es nur noch schön.”
Das erste Jugendcamp war auch das erste Mal, dass Rekan mit Behinderten zusammen kam – und er war überrascht: “Es hat ein paar Stunden gedauert, bis ich mit den anderen warm wurde, aber dann war das Eis gebrochen,” sagt Rekan heute und grinst: “Ich hätte mir vorher nie vorstellen können, dass man mit denen so viel Spaß haben kann. Klar, die sind behindert, aber das merkt man nach kurzer Zeit gar nicht mehr.”

Für Rekan war dieses Erlebnis so schön, dass er im nächsten Jahr gleich noch einmal dabei sein wollte. Und es hat geklappt: “Wir haben Fußball gespielt, Nachtwanderungen gemacht und abends bis spät am Lagerfeuer gesessen und Geschichten erzählt.”

Auch in den beiden vergangenen Jahren war Rekan dabei – jetzt aber nicht mehr als Teilnehmer, sondern als Betreuer. In der Zwischenzeit hatte er eine Ausbildung zum Übungsleiter gemacht: “Das war natürlich etwas ganz anderes: Als Betreuer ist man abends der Letzte und morgens der Erste.” Viel Schlaf hat Rekan da nicht bekommen. Das hält ihn aber nicht davon ab, auch beim fünften Jugendcamp wieder mitzumachen. Schon jetzt freut sich der 19-Jährige auf “ein bisschen Stress – und ganz viel Spaß.”